"Die Hilfsbereitschaft ist groß"
Das Flüchtlingsheim an der Tempelhofer Colditzstraße 32 hat seit Ende April eine neue Leitung: die Deutsch-Syrerin Rim Farha. Wir haben haben sie an ihrem neuen Arbeitsplatz besucht.
Frau Farha, Sie sind seit einem Monat Leiterin des Flüchtlingsheims hier in der Colditzstraße – was haben Sie vorher gemacht, und wie kam es zu dem Wechsel?
Rim Farha: Ich arbeite seit 2013 als Sozialarbeiterin für die PeWoBe und war vorher stellvertretende Heimleiterin in Hellersdorf. Das Angebot für die Colditzstraße kam völlig überraschend. Ich musste mich schnell entscheiden, habe einmal drüber geschlafen und Ja gesagt.
Was ist Ihr Eindruck nach den ersten vier Wochen – wie läuft es mit der Einrichtung?
Rim Farha: Ich habe viel zu tun, die erste Strukturierungsphase ist gerade vorbei. Ich musste auch den Bezirk erstmal kennenlernen, da gab es schon einige Veranstaltungen. Bis jetzt bin ich zufrieden, aber noch ist nicht alles erreicht, was ich mir wünsche.
Gestartet ist das Haus ja als Erstaufnahmeeinrichtung, es soll aber eine Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 500 Flüchtlinge werden – wie weit sind denn diese Pläne?
Rim Farha: Bis zum 30. Juni 2015 ist das Haus auf jeden Fall noch eine Notunterkunft mit einer Maximalbelegung von 194 Bewohnern, danach wird man sehen. Das Erdgeschoss sowie die erste und zweite Etage sind belegt, die dritte und vierte Etage sind noch nicht bewohnt.
Wie viele Flüchtlinge sind derzeit hier untergebracht, und woher stammen sie?
Rim Farha: Im Moment haben wir 188 Bewohner, davon 60 Kinder, aber die Zahl ändert sich täglich. Die Flüchtlinge kommen derzeit aus 14 Ländern, vor allem aus dem Kosovo, Serbien und Bosnien, aber auch z.B. aus Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan, Albanien oder der Türkei.
Wie lange sind die Flüchtlinge im Schnitt hier, und was passiert dann mit ihnen?
Rim Farha: Das Haus bietet ja derzeit noch eine Erstaufnahme, das heißt, die Bewohner bleiben höchstens drei Monate. Sollten sie dann als Flüchtling anerkannt werden, gibt es Leistungen vom Jobcenter, und sie kommen in eine andere Unterkunft. Oder der Asylantrag wird abgelehnt, dann gehen manche Asylbewerber in Widerspruch.
Beschreiben Sie doch mal, wie die Flüchtlinge hier leben – wie werden sie versorgt, wie sieht ihr Alltag hier aus?
Rim Farha: Die meiste Zeit verbringen die Flüchtlinge mit warten, egal ob hier oder woanders. Sie warten darauf, ob ihr Flüchtlingsstatus anerkannt wird oder nicht, auf Post vom Bundesamt für Migration, von der Ausländerbehörde oder vom Sozialamt. Dann haben die Bewohner natürlich auch Termine bei den Behörden oder beim Arzt. Für alle schulpflichtigen Kinder gibt es Schulplätze, das klappt in Tempelhof sehr gut. Kitaplätze haben wir noch nicht, das ist aber in Planung. Hier im Haus gibt es Vollverpflegung durch einen Caterer mit Frühstück, Mittag- und Abendessen, auch Babynahrung und Milch. Wir haben einen Waschmaschinenraum, es gibt einen Wäschetausch für Bettwäsche und Handtücher, außerdem erhalten die Bewohner Hygieneartikel.
Gibt es Angebote wie Sprach- oder Sportkurse oder z.B. auch eine Kinderbetreuung?
Rim Farha: Wir haben ein großes Kinderspielzimmer und zwei Kinderbetreuerinnen. Dann gibt es ehrenamtliche Betreuer, die mit den Kindern zum Spielplatz gehen. Ein eigener Spielplatz auf unserem Hof ist in Planung. Und wir haben hier im Haus einen ehrenamtlichen Deutschkurs.
Sie arbeiten ja hier im Haus eng mit Sozialpädagogen zusammen – warum ist sozialpädagogische Unterstützung wichtig?
Rim Farha: Das ist wichtig und notwendig. Wir haben zwei Sozialpädagogen und zwei Sozialbetreuer. Sie führen mit den Bewohnern persönliche und vertrauliche Gespräche. Es geht ja hier um Menschen, das Miteinander und Füreinander ist uns wichtig. Ich sage immer, wir sind dafür da, den Bewohnern das Leben zu erleichtern. Im Grunde ist das alles Sozialarbeit und Sozialbetreuung.
Das klingt alles ziemlich harmonisch - gibt es denn auch Probleme, sei es mit dem Bezirk oder auch zwischen den Bewohnern?
Rim Farha: Naja, bei rund 190 Personen... Wir sitzen hier, und es ist still, oder? Im Studentenwohnheim ist es lauter (lacht). Natürlich gibt es Konflikte da und dort, und wir sagen den Bewohnern: nicht alleine lösen, die Sozialarbeiter und die Heimleitung sind immer da und offen für Probleme. Wir vermitteln auch, dass die Bewohner Rechte und Pflichte haben, z.B. die Schulpflicht oder die Aufsichtspflicht der Eltern, und sie verstehen das auch. Ich bin zufrieden mit den Bewohnern. Mit dem Bezirk läuft es gut, wir sind ständig im Austausch. Probleme mit Anwohnern habe ich übrigens bisher noch keine erlebt. Im Gegenteil, die Hilfsbereitschaft ist groß.
Viele Tempelhoferinnen und Tempelhofer sind ja bereit zu helfen - welche Art von Unterstützung wird denn derzeit am dringendsten benötigt?
Rim Farha: Wir merken, dass die Menschen hier in Tempelhof gerne helfen möchten, die Frage nach dem „Wie?“ finde ich aber sehr gut. Wir können zum Beispiel noch Deutschlehrer gebrauchen und Hausaufgabenhilfen für Kinder. Möglich sind auch Patenschaften für Bewohner. Schön wären auch Führungen nach dem Motto „Ich zeige meinen Bezirk“ oder mal Eisessen gehen. Sachspenden nehmen wir auch gerne an, besonders für die Kinder - z.B. Babysachen, Spielzeug, Malstifte oder auch alles für die Schule.
Wenn jemand helfen möchte, wohin kann er oder sie sich wenden?
Rim Farha: Man kann einfach herkommen oder sich im Ehrenamtsbüro des Bezirks melden. Wir sind da in Kontakt, auch mit der Migrationsbeauftragen. Die Strukturen sind da, der Bezirk ist sehr gut vernetzt. Es gab auch schon einen runden Tisch, um die Hilfe zu koordinieren. Geplant ist eine zentrale Stelle, vielleicht eine Internetseite beim Bezirk, wo Leute nachgucken können, was gerade gebraucht wird – z.B. brauchen wir im Sommer keine Winterkleidung oder Sommersachen im Winter (lacht). Ansonsten läuft das mit den Spenden aber super, ich kann mich nicht beklagen.
Frau Farha, vielen Dank für das Gespräch.